Als Kulturjournalistin und Gründerin von Secondofestival

Loft & Club: Zukunftsräume für laute und intime Experimente

Wenn ich an Abende denke, an denen Klangkörper in den Raum wachsen und die Lautstärke zum Teil der Komposition wird, fällt mir zuerst das Rimini ein. Nicht zu verwechseln mit dem bekannten Klub – ich meine die kleineren, temporären Räume und Clubnächte, die oft in Industrie- oder Zwischennutzungsorten stattfinden. Diese Locations bieten eine rohe Akustik, hohe Decken und die Möglichkeit, PA-Anlagen und Modularsysteme aufzubauen. Das ist ideal für Noise- und drone-orientierte Sets, aber auch für modular-synth-basierte Performances.

Ein anderes Beispiel: Salon zur Wilden Frau (häufig im Zürcher Kreis 5 zu finden) kombiniert intime Clubatmosphäre mit einem Fokus auf kuratierte Line-ups aus improvisatorischer und elektronischer Avantgarde. Ich schätze besonders die Nähe zum Publikum – die Performances wirken unmittelbarer, weil die Grenzen zwischen Bühne und Zuhörenden verschwimmen.

Konzerthäuser & Off-Spaces: Raum für Klanginstallationen und multimediale Projekte

Für größere, technisch anspruchsvolle Produktionen sind institutionelle Häuser wie das Tonhalle Zurich oder das Hochparterre (wenn dort experimentelle Events stattfinden) nicht immer die erste Wahl — zu formal, oft akustisch auf klassische Besetzungen optimiert. Dafür haben sich in Zürich mehrere Off-Spaces etabliert, die besonders spannend sind:

  • Rote Fabrik: Ein historischer Ort mit klingender Subkultur. Hier laufen oft Festivals und Specials, die Raum für unkonventionelle Klangperformances bieten. Die Rote Fabrik hat die Infrastruktur, um mit visuellen Projektionen und Surround-Setups zu arbeiten.
  • nichtlokal: Ein Off-Space, das gern interdisziplinäre Projekte fördert. Ideal, wenn elektronische Musik mit Tanz, Lichtkunst oder multimedialen Arbeiten verschränkt wird.
  • Ich mag diese Räume, weil sie experimentelles Programmieren erlauben: Mehrere Klangquellen, ausgefallene Monitoring-Konfigurationen und die Nähe zu Kunstschaffenden aus anderen Disziplinen. Für Künstlerinnen ist das oft ein kreativer Freiraum ohne kommerziellen Druck.

    Galerien & Ausstellungssäle: Wenn Klang zur Installation wird

    In den letzten Jahren haben Galerien wie Kunsthalle Zürich und kleinere private Galerien immer häufiger Klanginstallationen und performative Abende in ihr Programm genommen. Diese Räume sind weniger von Clubästhetik geprägt; sie geben Klang Zeit, sich zu entfalten. Bei multikanaligen Installationen oder elektroakustischen Kompositionen ist die Architektur der Galerie oft ein Teil der Performance: Wände, Fenster und der Besucherfluss verändern das Hörerlebnis.

    Ich erinnere mich an einen Abend, an dem eine künstlerische Klangarbeit in einer Galerie in Wiedikon gezeigt wurde: Die Positionierung der Lautsprecher im Raum und die gezielte Lichtführung machten die Wahrnehmung zu einem körperlichen Erlebnis. Solche Abende bleiben länger im Gedächtnis als bloße DJ-Sets.

    Universitäre und akademische Räume: Forschung trifft Publikum

    Ein unterschätztes Feld sind Vorträge, Konzerte und Workshops an Hochschulen wie der ZHdK (Zürcher Hochschule der Künste). Dort finden regelmäßig Performances statt, die an der Schnittstelle von Forschung und Praxis liegen: elektroakustische Forschung, Live-Coding, algorithmische Kompositionen. Diese Veranstaltungen sind oft experimentierfreudig, technisch versiert und ziehen ein Publikum an, das gern tiefer in die Materie eintaucht. Ich besuche solche Formate, weil sie Kontext liefern — oft gibt es Gespräche mit den Künstlerinnen, Sound-Demos oder Q&A-Sessions, die das Hörerlebnis erhellen.

    Freiflächen & Outdoor-Formate: Unkonventionell, wetterabhängig, oft magisch

    Pop-up-Konzerte im Freien, temporäre Soundwalks oder Performances an unerwarteten Orten (Innenhöfe, Industrieareale, Boote auf dem Zürichsee) bringen elektrophonische Musik in neue Kontexte. Solche Events sind zwar wetterabhängig, aber die Freiheit in der Gestaltung der Umgebung bietet enorme kreative Möglichkeiten. Ich erinnere mich an ein nächtliches Drone-Konzert in einem Hinterhof im Kreis 4: Die Nachbarschaft, die nahen Fenster und die Mauerflächen wurden Teil der Akustik – ein Erlebnis, das in einem klassischen Klub nicht möglich gewesen wäre.

    Warum diese Orte? Kriterien, die mir wichtig sind

    Bei der Auswahl von Orten für experimentelle elektronische Musik achte ich auf mehrere Faktoren. Diese helfen auch dir als Veranstaltungsbesucher, zu entscheiden, wo du hingehen möchtest:

  • Akustische Flexibilität: Sind Umbauten möglich? Gibt es genug Leistung für PA und Synthesizer? Räume mit guter Basswiedergabe und variabler Monitoring-Optionen sind ein Plus.
  • Kuratorische Offenheit: Lassen Veranstalterinnen genreübergreifende Formate zu? Ich bevorzuge Programme, die Neues ausprobieren, statt nur bewährte Acts zu wiederholen.
  • Publikum und Intimität: Manche Abende profitieren von einer dichten, dunklen Clubatmosphäre, andere brauchen Distanz und Zeit – etwa bei langsamen Drone-Performances oder Klanginstallationen.
  • Technische Infrastruktur: Verfügbar sind etwa Mehrkanal-Setups, Lichttechnik und Platz für visuelle Projektionen. Die Zusammenarbeit mit Tontechnikerinnen ist oft entscheidend für das Gelingen.
  • Ort und Kontext: Ein Raum, der Teil lokaler Kulturarbeit ist (z. B. Off-Spaces), bietet oft den kreativsten Rahmen, weil dort experimentelle Risiken finanziell und organisatorisch besser getragen werden.
  • Praktische Tipps für Besucherinnen

    Wenn du einen Abend mit experimenteller elektronischer Musik planst, empfehle ich Folgendes:

  • Informiere dich vorab über das Line-up und die Programmbeschreibung — viele Veranstalter geben Hinweise zum Lautstärkepegel und zu Altersfreigaben.
  • Zieh bequeme Kleidung an: Bei langen Drone- oder Noise-Sets ist es oft hilfreich, sich setzen oder hinlegen zu können.
  • Ohren schützen: Gerade bei lauten, basslastigen Sets sind hochwertige Otoplastiken oder Earplugs (z. B. von Etymotic oder Alpine) sinnvoll.
  • Sprich mit den Veranstaltern: Gerade in Off-Spaces lässt sich manchmal in die Soundchecks hineinschnuppern oder mit Künstlerinnen ins Gespräch kommen — das bereichert das Hörerlebnis.
  • OrtIdeal fürWarum
    Rimini / Club-ZwischennutzungenModular/Noise, laute SetsRohe Akustik, hohe Decken, Flexibilität
    Salon zur Wilden FrauIntime Sets, kuratierte AbendePublikumsnähe, experimentelle Programmatik
    Rote FabrikFestival-Formate, größere ProduktionenInfrastruktur, etablierter Kulturort
    nichtlokal / Off-SpacesInterdisziplinär, InstallationenKreativer Freiraum, Kooperationen
    ZHdKLive-Coding, ForschungspresentationsAkademische Tiefe, technische Expertise

    Wenn du möchtest, kann ich in einem nächsten Beitrag konkrete kommende Termine und Releases zusammenstellen oder Interviews mit lokalen Künstlerinnen und Veranstaltern führen. Die Zürcher Szene ist lebendig und wandelt sich ständig — genau das macht das Beobachten und Erleben so spannend.