Wenn ich mit Musikerinnen und Musikern über den nächsten Schritt ihrer Karriere spreche, taucht fast immer dieselbe Frage auf: Welche Labels in der Schweiz fördern wirklich lokale Talente und wie arbeite ich am besten mit ihnen zusammen? Als Kulturjournalistin und jemand, die regelmäßig lokale Konzertorte und Off-Spaces besucht, habe ich zahlreiche Gespräche mit Labelbetreiberinnen, Künstlern und Bookerinnen geführt. In diesem Text teile ich meine Beobachtungen, konkrete Namen als Einstiegspunkte und vor allem praktische Schritte, wie du eine professionelle Zusammenarbeit aufbauen kannst.

Welche Labels in der Schweiz sind für lokale Förderung bekannt?

Die Schweizer Label-Landschaft ist vielfältig: Es gibt spezialisierte Indie-Labels, Jazz- und Elektronik-Labels sowie Boutique-Labels, die Nischenkünstlerinnen betreuen. Einige haben sich über Jahre ein gutes Renommee als Fördereinrichtungen für lokale Talente aufgebaut. Beispiele, die mir bei Recherchen und Gesprächen immer wieder begegnen, sind:

  • HatHut Records – bekannt für Jazz und experimentelle Musik; hat eine lange Geschichte und internationale Sichtbarkeit.
  • Unit Records – ein unabhängiges Label, das in der Vergangenheit lokal verankerte Acts aus verschiedenen Genres begleitet hat.
  • Voodoo Rhythm Records – ein kleines, sehr engagiertes Label aus Basel mit Fokus auf Rock’n’Roll, Garage und unkonventionelle Acts.
  • Phonag/Phonag Records – eher grösser und gut vernetzt in der Schweizer Musikwirtschaft; hilfreich für Vertriebswege innerhalb der Schweiz.
  • Diese Auswahl ist keineswegs vollständig — in jeder Region gibt es kleine, sehr engagierte Labels, Kulturkollektive und DIY-Labels, die hervorragende Arbeit leisten. Wichtig ist: Namen sind nur Einstiegspunkte. Entscheidend ist, ob ein Label zur Musikrichtung, zur künstlerischen Vision und zur Arbeitsweise passt.

    Wie unterscheiden sich Labels in ihrer Talentförderung?

    Nicht jedes Label bietet dasselbe: Einige investieren stark in Produktionskosten und Pressearbeit, andere in Tour-Building oder in eine künstlerische Langzeitbegleitung (Mentoring, Produktion, Visuals). Aus meinen Gesprächen habe ich drei typische Profile zusammengefasst:

  • Förderer/Entwickler: Kleinere Labels oder Artist-Collectives, die intensiv an der künstlerischen Entwicklung arbeiten. Sie geben Zeit, Feedback und oft auch Studiosessions.
  • Vertriebspartner: Labels, die primär den Vertrieb und die Infrastruktur (Pressing, Digitalvertrieb, Playlist-Pitches) zur Verfügung stellen.
  • Netzwerk-Platformen: Labels, die Zugang zu Bookern, Radios und internationalen Kontakten liefern und damit Touren und Medienpräsenz ermöglichen.
  • Wenn du als Künstlerin ein Angebot prüfst, frage konkret nach: Wie viele Releases betreut das Label pro Jahr? Wer ist für PR, Booking und Vertrieb zuständig? Gibt es Budget für Promotion und Videos?

    Wie bereite ich mich vor, bevor ich ein Label kontaktiere?

    Der erste Eindruck zählt. Ich empfehle eine professionelle Basis, bevor du Mails versendest oder auf Akquise gehst:

  • Musikalisches Material: 2–3 starke Songs in hoher Qualität (WAV oder gut gemasterte MP3).
  • Presskit: Kurzbiographie (200–300 Wörter), hochauflösende Pressefotos, Live-Fotomaterial, Links zu Social Media, Streaming-Profilen und bisherigen Pressestimmen.
  • Live-Referenzen: Eine Liste von Auftritten, Festivals oder residencies — Labels suchen oft Acts, die live funktionieren.
  • Konkrete Anfrage: Keine Blindbewerbungen. Schreib, warum dich genau dieses Label interessiert (z.B. weil es ähnliche Acts vertritt oder eine bestimmte Herangehensweise pflegt).
  • Wie sieht eine sinnvolle Erstkontakt-Mail aus?

    Ein klares, kurzes Anschreiben kommt am besten an. Hier ein Beispiel, das du anpassen kannst:

    BetreffEP-Release: [Artistname] – Demo & Presskit
    TextHallo [Name des Labels/Ansprechpartners],
    ich bin [Name], Singer-Songwriterin aus [Ort]. Anbei drei Songs, die wir demnächst als EP veröffentlichen möchten. Ich schätze eure Arbeit mit [Beispielkünstler] sehr und kann mir gut vorstellen, dass meine Musik zu eurem Katalog passt. Anbei Presskit & Links. Ich freue mich auf Feedback und danke fürs Hinhören. Herzliche Grüsse, [Name] – [Telefon] – [Link zu Bandcamp/Website]

    Was erwarten Labels – und was solltest du verhandeln?

    Labels investieren Zeit und Ressourcen – im Gegenzug erwarten sie Rechte an Aufnahmen und einen Anteil an Erlösen. Wichtige Punkte, die du früh klären solltest:

  • Rechteumfang: Exklusivrechte oder Lizenz für bestimmte Plattformen? Dauer?
  • Revenue Split: Prozentuale Aufteilung zwischen Label und Artist, Abrechnungsturnus und Transparenz bei Kosten
  • Advance & Budget: Gibt es ein Vorschuss, Budget für Musikvideo, Promotion oder Tour-Support?
  • Marketing & PR: Welche Massnahmen sind konkret geplant? Wer übernimmt Pressetexte, Kontakte zu Radios (SRF, regionale Stationen) oder Reviews?
  • Touring & Booking: Unterstützt das Label beim Booking – lokal, national, international?
  • Ich habe oft erlebt, dass offene Kommunikation vorab spätere Enttäuschungen verhindert. Lass dir alle Punkte schriftlich geben.

    Nutze Institutionen und Fördermöglichkeiten

    In der Schweiz gibt es öffentliche Förderungen, die eine Kooperation mit einem Label erleichtern können. Zwei wichtige Akteure:

  • Pro Helvetia – Kulturförderung mit Stipendien, Projektgeldern und internationalen Programmen.
  • SUISA – die Genossenschaft, die Urheberrechte verwaltet; wichtig für Vergütungen und Lizenzen.
  • Auch kantonale Kulturämter oder Stiftungen (z. B. Migros-Kulturprozent) fördern Projekte. In Gesprächen mit Labels lohnt es sich zu fragen, ob gemeinsame Förderanträge möglich sind — das erhöht das finanzielle Polster für Promotion und Touren.

    Praktische Tipps aus der Praxis

  • Sei präsent in der Lokalzene: Labels beobachten Clubs, Festivals und Showcase-Reihen; ein überzeugender Live-Auftritt öffnet Türen.
  • Pflege dein Online-Profil: Aktive Social-Media-Kanäle, ein aktuelles Spotify-Artist-Profil und eine gepflegte Bandcamp-Seite vermitteln Professionalität.
  • Netzwerke mit anderen Künstlerinnen: Oft ergeben sich Kooperationen über gemeinsame Releases oder Split-Singles.
  • Sei realistisch: Ein Label ist kein Garant für Erfolg. Es ist ein Partner, der Arbeit investiert – du musst deinen Beitrag leisten (Live, Self-Promotion, Vernetzung).
  • Wenn du magst, kann ich dir beim Formulieren einer Erstkontakt-Mail oder beim Überprüfen deines Presskits helfen. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Der Weg zu einem passenden Label braucht Geduld, Offenheit und klare Professionalität — und manchmal entsteht die beste Zusammenarbeit genau dort, wo die Chemie stimmt, nicht nur das Business-Modell.